Ein wiederentdeckter Fundus fotografischer Erkundungen, damals im früheren Garten, überdauerte die Zeit in alten, längst vergessen geglaubten Schachteln.
Die gesättigten Farben der Fotoabzüge werden der Manipulation mit Kugelschreiber, Eisen(III)-chlorid, Wachstempera preisgegeben. Die so neu entstandene Farbigkeit schiebt sich über die stellenweise immer noch reflektierende Oberfläche der ursprünglichen Foto.
Die Präsenz der Gegenwart überschreibt die zugewachsenen Erinnerungen. Stellenweise bleiben kleine Einblicke ins Damals und vermengen sich untrennbar mit dem schillernden Neuen.
umgeschichtet. Die Kleinen.
Requiem
Geheime Räume. umgeschichtet
Schwarzeis und Samterde
Holz Rinde
geschält, feucht und weich und schon zerfallend in der Auflösung, später getrocknet, nun spröd und hart. eine aufgegebene Schutzhülle, die Innenseite erzählt noch vom lebendigen Baum und die Aussenseite vom Wald. loslassen und auflösen, sich sammelnd in einer stillen Leere. Samterde.
im schwarzen Eis sehe ich die Spalten und Risse, geheimnisvoll Erstarrtes weist in die opake Tiefe. der Wind hat sich in die Verwerfungen des Wassers eingeschrieben, bizarr geschichtete Blöcke türmen sich am Rand, als hätte auch der See seine Rinde.
geh näher weg
Vor zwölftausend Jahren wurde in Urfa der erste Mann in Stein gemeisselt, der sich nun in dieser Serie mit der heutigen Sicht auf die Welt verbindet, die von der Handykamera festgehalten und auf Socialmedia verbreitet wird.
Aus gestischer Malerei entstehen von selbst Figuren. Bilder und Textfragmente aus der Zeitung werden als Collage in die Malerei eingearbeitet.
Der lange Weg zurück zum Tisch – Versuch einer Annäherung
Am Tisch wird gegessen: Essen und Trinken ernähren den Körper. Am Tisch begegnen wir uns: Ein Ort des Gesprächs, des Austausches und Miteinanders – im dialogischen Konsens und auch in der schwierigen Debatte. Wir nähren damit auch Geist und Seele.
Der Tisch ist für mich Metapher für Nahrung, dh. für den Aufbau und die Erhaltung des individuellen Organismus. Gleichzeitig dient der Austausch der Wahrung und Entwicklung des gesellschaftlichen Kollektives im kleinen familiären wie auch im grossen, globalen Rahmen.
Wenn der Tisch als Zentrum fehlt, ist beides nicht mehr möglich: Ein ohnmächtiger Stillstand. Der Weg zurück zum Tisch kann lange und schmerzhaft sein und sehr viel Zeit beanspruchen. Die Verarbeitung eines solchen langen Weges einschneidender Geschehnisse kann ich nur in einer Serie festhalten, der malerische Arbeitsprozess dokumentiert die Entwicklung. Der Tisch wird sehr direkt auch zum physischen und mentalen Arbeitsplatz.
Bilder aus der Zeitung, die mich berühren und beschäftigen – insbesondere auch solche mit Tischen – bilden für diese Serie die Ausgangslage. Aktuelle Geschehnisse, wie sie uns täglich in den Medien präsentiert werden, vermischen sich mit einem ganz persönlichen, langen Weg durch eine dunkle Zeit – zurück zum Tisch.
un_sichtbar
verschwinden lassen – ein gemalter Filter verunmöglicht das Erkennen.
Blätterrauschen
Die Printbögen der NZZ mit den verwendeten Bilder für Corona geistert durch unsere Träume werden weiss grundiert. Nur die für mein Werk titelgebende Wendung bleibt offen. Die grobe Übermalung löscht Bild und Text visuell aus, sie zeigt die gestische Handlung der Malerei. Mit der darüber gelegten feinen Zeichnung bekommt das Blatt Tiefe und Raum. Hat man die stehen gelassenen, kurzen Zitate aus dem geschriebenen Artikel entdeckt, wird der erste Eindruck der ungegenständlichen Zeichnung unmittelbar verändert. Die Zitate lösen Assoziationen aus und provozieren eigene Bilder, die in einen schwebenden Dialog mit der bereits gesehenen Zeichnung eintreten.
Corona geistert durch unsere Träume
Eine Bildersammlung nach Fotos aus der Zeitung
Welche Bilder bleiben? Was erzählen sie über die Gegenwart?
Mein Werk beschäftigt sich mit dem Zeitunglesen. Jeden Tag entscheide ich mich für ein Bild aus der Print-Ausgabe der «Neue Zürcher Zeitung». Ich wähle dasjenige aus, bei dem mein Blick am längsten hängen bleibt. Meine Auswahl ist persönlich und subjektiv, und sie stülpt sich über die Auswahl der Bildredaktion der NZZ. Trotzdem erzählt die Sammlung etwas über die gesellschaftliche Befindlichkeit in der Gegenwart sowie über meine persönliche Wahrnehmung.
Die ausgewählten Bilder male ich in der gleichen Grösse auf grundierten Karton. Das gemalte Bild entfernt sich von der Fotografie, gleichzeitig nähere ich mich dem Bild mit der Aneignung. Jedes einzelne Bild ist Ausdruck der momentanen Wahrnehmung und hat individuellen Charakter. In der Summe der Serie wird zugleich die Überforderung im Umgang mit der tagtäglichen Bilderflut sichtbar, die sich in einer dichten Hängung zusätzlich noch verstärkt.
Mit dem verschärften Urhebergesetz sind sämtliche veröffentlichte Bilder geschützt und deren Verwendung bedarf der Erlaubnis des Urhebers selbst dann, wenn mit der Übersetzung von der Fotografie in die Malerei etwas Neues, Eigenes entsteht. An dieser Stelle. möchte ich mich bei den NZZ-Fotograf*innen, der Bildagentur Keystone sowie weiteren freien Fotograf*innen sehr herzlich für ihr Entgegenkommen bedanken. Die Bilder, deren Rechte ich nicht habe, dürfen nicht öffentlich gezeigt werden. Sie sind mit einem Filter überdeckt, der integraler Bestandteil meines Werkes ist und die Wahrnehmung des sich darunter liegenden Bildes massgeblich mitprägt.
Der Umgang mit dem Eigenen, mit Aneignung und Veränderung, sowie auch dem Schutz von öffentlich verfügbaren Bildern ist Teil der gegenwärtigen Diskussion über Autorenschaft, Authentizität und profitorientierte Vermarktung im virtuellen, globalen Raum.
Installation im Hobelwerk, Winterthur. Gruppenausstellung der Künstlergruppe Winterthur.
Farbige Markierungen bestehen zwischen Spuren, die vom Suchen und Ausgleiten erzählen und trotz Unsicherheiten optimistisch Halt vermitteln.
Alle meine Orte
Eine Art Nabelschau.
Heimattürme
Installation in der Villa Flora, Winterthur, Gruppenausstellung „Zimmerecken“
Meine Heimat-Türme erzählen Geschichten von Menschen, die nicht in der Schweiz geboren wurden. Die Objekte stehen für ihre Erinnerungen und Sehnsüchte. Die Herkunftsstädte sind aus den Kartenausschnitten lesbar, Google-Maps kennt keine Geheimnisse. Die Schnur zeigt die Luftdistanz von diesen Orten zum heutigen Wohnort in der Schweiz, im Massstab 1:1‘000‘000. Die Kartonecken erinnern an Umzugskisten: Zeichen von Zustand in provisorischem Übergang. Zu drei Türmen aufeinander gestapelt bekommen die Objekte eine wackelige Präsenz, als ob ihnen der sichere und feste Boden fehlen würde.
Die Etagen sind offen und laden zum Entdecken ein.
Aus dem Heimatarchiv
Ich bitte vielePersonen aus meinem Umfeld um ein Objekt, das für sie sinnbildlich für Heimat steht.
Diese Objekte modelliere ich nach der Anschauung. Modelliert bekommen sie eine andere Ausstrahlung. Für den Besitzer des Objekts stellen diese Fassungen bestimmt auch eine Verfremdung dar. Ihr ganz persönliches, emotional aufgeladenes Erinnerungsstück wird durch den Ton quasi neutralisiert und mit Initialen und Jahrgang angeschrieben.
Zurück bleibt ein Objekt, das zwar noch von der individuellen Erinnerung erzählen kann, aber diese selber nicht mehr auszudrücken vermag. Die berührenden Gespräche über die Objekte sind im Buch nachlesbar.
Installation im „Kunstzimmer“, Hotel Wartmann Winterthur, 25.-26.1.2020
Die Heimat trage ich mit mir, Prägungen von Ort und Personen, sowie auch Objekte schaffen oft unbewusst kreisende Bezüge zum Heute.
Mit einer Lichtinstallation wird die Landkarte im Kreis drehend an die Wände des verdunkelten Zimmers projiziert. Das Haus meiner eigenen Kindheit steht im Zentrum des Kreises, ist aber nicht sichtbar.
Die Lichter streifen dabei auch die modellierten Objekte und beziehen sie mit ein in die kreisende Bewegung rund um den Heimatort.
Kreisende Heimat | Kunstzimmer Hotel Wartmann Winterthur | 25./26.1.20
Hallensound
Ein Bad im Klang der Halle, Installation
Eine Klangspur, entstanden im Rahmen der Entwicklungsplattform «Kunst im Depot 2019», zum Thema Durchlässigkeit. Klänge und Geräusche, die in der Halle von den anderen Teilnehmenden produziert werden und Geräusche, die von aussen zu hören sind, sind in einer grossen Zeichnung festgehalten. Mit geschlossenen Augen folgt der Stift performativ den akustischen Reizen. Die vielen gleichzeitigen Klang-Sensationen werden durch meine Wahrnehmung in einzelne Linien zerlegt und verdichten sich durch die Überlagerung wieder zu einem Ganzen. Die Lautstärke wird durch meinen Fokus relativiert, sodass die Geräusche und Klänge sich in ihrer Intensität nicht mehr mit der herkömmlichen Dezibelskala einordnen lassen.
Die Gleichzeitigkeit der einzelnen Stimmen verlangt von mir zeichnerisch von Moment zu Moment eine fokussierte Auswahl: die eigentlich totale Überforderung in der akustischen Wahrnehmung. Die intensive und unmittelbare Hörerfahrung ist aber zugleich auch eine kontemplative Hingabe an den Gesamtkosmos der grossen Halle. In einzelnen Tagwerken folgt die Zeichnung der in der Halle verbrachten Zeit.
Unsichere Böden
Falkennovelle
Das Liebste für die Liebe opfern.
Ob das Wasser trägt (Schreitende)
Wasseratem
nachts im traum die dohle frass mir die wörter aus der hand mit diesen körnern fliegt sie durch den leichten wasseratem
Lisa Elsässer
Hinter Glas
Atemwolke
Präzise Schnitte entlang der feinen Zeichnung, herausgeschnittenes Weiss franselt gezackte Spitzen: die ziselierte Atemkarte schwebt in beweglicher Leichtigkeit. Zu Wellen und Volumen gebauscht zeichnen die dunklen Striche wie Stickerei durchbrochen die Luft.
Tintenschwarz
Die gemalte Tinte zieht ganz ins Papier ein. Bei Übermalungen und mit Verdünnungen breiten sich auch bereits getrocknete Stellen kaum kontrollierbar und fleckig aus, und die rein schwarze Füllfedertinte bekommt eine zarte, nicht steuerbare Farbigkeit.
Auf Japanpapier aufgetragen durchdringt die Farbe den Träger vollständig. Das während des Malens vollständig schwarze Bild offenbart sich erst im getrockneten Zustand.
Die Frische der Ewigkeit
Während vieler Stunden ergibt jeder Strich drei Atemzüge, im beharrlichen und geduldigen Notieren schreibt sich die Zeit in vielschichtigen Überlagerungen ins Papier ein und verleiht diesem optisch viel Gewicht. Dazwischen leuchten die wenigen, von der dunklen Dichte eingeschlossenen hellen Stellen leicht aus scheinbar weiter Ferne.
Die Frische der Ewigkeit. Davon habe ich neulich am Radio gehört, und seither begleitet mich diese Bemerkung wie ein Bild. Immer wieder frisch gedacht: die unendliche Weite des Raums. Von Gravitationswellen aus der Verschmelzung schwarzer Löcher lese ich heute in der Zeitung, von sanftem Erzittern von Raum und Zeit. Jahrmillionen weit entfernte, unermessliche Energien – jeder Moment ein Wegstück hin zur eigenen Endlichkeit.
Grosse Atemkarte – Installation im Kunstkasten Winterthur
(…) Kerns «Atemwanderungen» können als anstrengende Performances im Atelier verstanden werden, das Ergebnis als Aufzeichnung der körperlichen und mentalen Präsenz während der Herstellung. Zeichnung und Malerei bezeichnet Kern dann auch als Produktion physischer Gegenwärtigkeit. (…) Einzelne Striche mäandern übers Papier. Teils sammeln und überlagern sie sich zu einem dichten Gewebe. Die Überlagerungen schaffen Tiefen. Die Atemkarten sind als Annäherung an den Zustand des Schlafes zu lesen. (…) Die Poetik Kerns ist beeinflusst von Gedanken rund um «die Frische der Ewigkeit», jenes endlosen Raumes, während die Bewusstheit der Gegenwärtigkeit rund um den eigenen atmenden Körper gerade Endlichkeit schreibt.
kunstkasten, Karin Wiesendanger und Judith Weidmann
Schaukel in Aleppo
Schaukeln
In den Raum gezeichneter Atem: ein und aus, in ruhigen Bögen. Die Illusion des schwerelosen Abhebens über den höchsten Punkt hinaus schwingt im Wechsel mit den Reibungskräften und der Verlagerung des Schwerpunkts. Der Versuch, dem Schrecken einen Moment der Leichtigkeit abzutrotzen. Versehrtes Glück im Auf und Ab.
Fresko
Die Finger waren gekrümmt, waren statt der Erinnerung, es galt die traurigen Haltekräfte zu sprengen, dass sie den Baum losliessen und das Meer.
Yves Bonnefoy
Erinnerungen glitten durch ihren Schlaf wie Boote im Nebel
Bilder aus der Zeitung: Diese Bilder dokumentieren Ereignisse der Gegenwart. Sie brennen sich ein ins kollektive Gedächtnis und behalten so eine Aktualität, die weit über den Moment hinausweist.
Die verstreichende Zeit ist ohne Nennwert und verdichtet sich im stattgefundenen Ereignis – die Verletzlichkeit des Einzelnen wird zum Sinnbild des Menschlichen.
Die gemalten Bilder gelten als Denkmal für die mir unbekannten Personen.
Schlaf Mahdi, Ahmed, Fara, Shiraz
Sie schliefen, an der Welt verzweifelnd Erinnerungen glitten durch ihren Schlaf Wie Boote im Nebel, deren Lichter heller auf- leuchten, eh sie fern auf dem Strom entschwinden.
Yves Bonnefoy
Schlaf
Eingeschrieben
ein schreiben – frei legen
Der Körper formt die Hülle: das Stattgefundene schreibt sich mit dauerhaften Spuren ein, und durchscheinendes Gewebe bezeugt die erlebte Zeit.
Atempartituren
Bei der Atempartitur setze ich bewusstes Ein- und Ausatmen ein. Das Einatmen ist vorbereitend, es schafft die Grundlage und positioniert den Stift. Mit dem schöpferischen Ausatmen erfolgt der Strich. Die Atempause markiert das Ende des Strichs. Die Arbeit entsteht von links nach rechts und von oben nach unten. Es entsteht ein visueller Gesamteindruck der verstreichenden Zeit.
Atemkarten
Meine Atemkarten sind Aufzeichnungen des fliessenden und unbewussten Atems. Sein Rhythmus, seine Stärke und sein Tempo bestimmen den Strich. Es sind Vermessungen mentaler Lufträume, die in der Zeichnung vorgestellte Landschaften ergeben.
Der Strich erfolgt ohne visuelle Kontrolle, d.h. die Augen bleiben geschlossen.
Die Atemkarten sind somit eine Annäherung an den Zustand im Schlaf.
Quadratischer Tod
Im Quadrat herrscht ein Gleichgewicht, es gibt keine vorherrschende Richtung.
O-Serie
Schlaf als archaischer Zustand: das Unbewusste bestimmt seltsame Träume. Manchmal nächtelang schlaflos und dennoch nicht richtig wach.
Bis zum Äussersten
Douve
Douve
Dein Gesicht heut Abend von der Erde erhellt, doch ich sehe deine Augen sich zersetzen, und das Wort Gesicht hat keinen Sinn mehr.
Das innere Meer von kreisenden Adlern erhellt, dies ist ein Bild. Ich halt dich kalt in einer Tiefe, wo die Bilder nicht mehr entbrennen.
Yves Bonnefoy
Malerei
Abschweifen
In der malenden und zeichnenden Handlung zum Bild gelangen, sich im Uferlosen verlierend zu seiner präzisen Setzung kommen von etwas, das nicht mehr oder noch nicht da ist.